Polflug

Bericht von Andrée und dem »Adler«

Autor:Walter Bauer
Erscheinungsjahr:2020
Genre:Prosaband
Verlag:Buchreihe Stella Polaris


Rezensiert von Maren Kopper
Mitunter fällt es schwer, nachzuvollziehen, was Menschen bewegt, sich auf offensichtlich höchst riskante Abenteuer einzulassen – und dabei bewusst in Kauf zu nehmen, besagtes Abenteuer nicht zu überleben. Man denke an die denkwürdige Antwort auf die Frage, warum um alles in der Welt man den Mount Everest besteigen müsse: „Weil er da ist.“
„Da“, das ist auch der Nordpol, und ebenso wenig, wie das für die meisten Menschen als nachvollziehbare Motivation taugt, hat Andrée mit seinem Polflug zum Nordpol sein ehrgeiziges Ziel erreicht. Für den Leser bleibt bis zuletzt nicht greifbar, was Andrée und seine Begleiter angetrieben hat und welcher Art dieser Stimulus sein könnte, dass sie – in der Retrospektive betrachtet: sehenden Auges – in ihren Untergang gezogen sind. Warum also? Diese Frage bleibt in gewisser Weise unbeantwortet.
Vermutlich ist es jedoch genau das, was Bauers Bericht auszeichnet und ihm jenen Hauch von Beklemmung und Gänsehaut verleiht, der den Leser stillschweigend durch die Lektüre des Berichts über den Polflug begleitet. Auf nur gut sechzig Seiten leitet Bauer den Leser durch jenes Abenteuer des ausgehenden 19. Jahrhunderts und seines Pioniergeistes, unaufdringlich, aber eindrücklich, wobei er mit starken, bildgewaltigen Worten das Bild einer ambitionierten Idee zeichnet. Einer Idee, die zwar zum Scheitern verurteilt war, aber auch beweist, was der menschliche Geist auf sich zu nehmen bereit ist…
„Die Stimme des Packeises füllte knirschend den Raum. Die Spiele des Nordlichtes verflammten sich am leeren Polarhimmel über den Orten mancher Gräber, und irgendwo lagen auch Andrée, Strindberg und Fraenkel.“