Sprachlaub
oder: Wahr ist, was schön ist
Autor: | Martin Walser |
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Erscheinungsjahr: | 2021 |
Genre: | Gedichtband |
Verlag: | Rowohlt Verlag |
Rezensiert von Klaus Isele
Das Erste, was mir auffiel und mein Herz erfreute, ist der Buchumschlag: wie schön und stimmig die Namen von Alissa und Martin Walser typographisch dort ineinander verschlungen sind. Tochter und Vater. Mal wieder auf je eigenem Gebiet für ein gemeinsames Buch zusammenarbeitend. Alissa hat eine Vielzahl von sehr passenden pastellfarbenen Aquarellen zu den Texten ihres Vaters beigesteuert. „Sprachlaub“ heißt das Buch, ergänzt um den Zusatz „Wahr ist, was schön ist“. Ich verehre Martin Walser sein langem als virtuosen Großmeister der Sprache, der die ganze Klaviatur der möglichen sprachlichen Nuancierungen mit Zauberhand zu inszenieren weiß. Der Ton und Impetus, den er nun in diesen Texten (darf man sie Gedichte nennen?) anschlägt, ist neu. Augenfällig ist eine Milde und Daseinsweichheit, die mich berührt. Gesellschaftskritik, Einmischung ins politische Tagesaktuelle oder Veränderungsfuror von Missständen interessieren ihn nicht mehr. Stattdessen (wie eh und je schon) Selbsterkundung und Innenschau, die auf die Natur und die (vermeintlich) kleinen Dinge des Lebens jenseits aller Eitelkeiten gerichtet sind.
„Nichts ist nämlich, was es zu sein scheint. / Du musst den Wörtern kündigen. / Wahr ist nur, was schön ist. // Mir sagt die Amsel, was ich wissen will. / Du brauchst keine Vergangenheit, sagt sie, / Zukunft genügt. Wem, wenn nicht der Amsel, / darf ich glauben.“
Landschaft, Tiere, Bäume zählen zu den Hauptdarstellern in diesem bezaubernden Buch. Martin Walser entfaltet eine ganz eigene Art von lebensphilosophischen Gedanken in nuce. Eine faszinierende kleine Welt der Selbstversenkung.
Dabei schimmert natürlich immer wieder der Sprachdemiurg durch, so etwa in diesem Text: „Ich hab einen Schrei gehört im Schlaf, / der Souffleur hieß: der Wind. / Ich brech den Sekunden die Gelenke, / Stunden stampf ich ein, / die Tage gehen unter in meinen Augen / wie Monde im Meer.“
Wie Martin Walser über die Dinge des Lebens nachdenkt und Eindrücke von der Welt sammelt, macht deutlich, dass dieser Autor sein Schreiben noch nicht eingestellt hat, dass Schreiben für ihn nach wie vor wie Atmen ist. „Gesegnet“ sei deshalb Martin Walsers Schreibhand.
Als Leser folge ich ihm deshalb fasziniert: zeilen- und seitenweise, von Buch zu Buch, wo immer er mich hinführen wird. Danke, Patron!
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