Nebelgischt

Vom Aufbrechen und Ankommen

Autor:Markus Manfred Jung
Erscheinungsjahr:2021
Verlag:Bucher


Besprochen von Klaus Isele
„Allein und immer südwärts“ – das war das Vorhaben, das sich Markus Manfred Jung für die Zeit nach seiner Pensionierung ausgedacht hatte. Von langer Hand war geplant: eine Wanderung vom Wiesental quer durch die Schweiz nach Norditalien. Nach dem Ende der beruflichen Pflichten hinein in einen neuen Lebensabschnitt laufen...
Die Idee dieser Wandertour hat so viel Charme und Reiz, dass ich ihn gerne für einen halben oder ganzen Tag begleitet hätte in jenem heißen Sommer. Wobei es allerdings sehr wichtig war, dass er viel allein unterwegs und auf sich selbst geworfen war. Nicht zu wissen, wo man am Abend ein Bett findet und wie lang die Tagesetappe gewesen sein wird. So konnte sich MMJ ohne Druck 40 Jahre Lehrerberuf aus dem Körper und Kopf laufen... und während der täglichen 20 bis 30 km Wanderstrecke über das Wesentliche unserer menschlichen Existenz nachdenken. Zum Beispiel über das Gute und Schlechte in der Welt. Und in ihm selbst.
Markus Manfred Jung schonte sich nicht: weder beim ständigen Bergauf- und Bergab-Laufen noch bei der Hinterfragung seines eigenen Lebens. Und er ist sehr ehrlich zu sich selbst (und zu uns Lesern). Nicht eigene Heroisierung ist sein Ansinnen, sondern knallharte Selbstanalyse. Dies macht das Buch sehr lesenswert. Aprops Lesen: Es wäre von Vorteil, wenn man des Alemannischen mächtig wäre, denn das Buch ist zweisprachig gehalten. Manchmal schreibt der Autor im Dialekt, dann wieder auf Hochdeutsch. Mir persönlich gefällt dieser Wechsel. Und ich kann auch sehr Vieles aus der Kindheit und Jugend des Autors nachvollziehen, weil ich ähnlich aufgewachsen bin. Stellenweise war es wie ein Lesen im eigenen Leben…
Nach vier Tagen war Markus Manfred Jung bereits vom deutschen Belchen bis zum schweizerischen gekommen. Eine stramme Leistung. Am Schluss waren es 450 km in zweieinhalb Wochen. Endstation: der Lago Mergozzo in Norditalien. Wir Leser haben zwischendurch aber auch einiges über Norwegen, Iguazu, die Eltern und Geschwister des Autors, seine Tochter, seine Ex-Frau, seine Jetzt-Frau, über Begegnungen mit Leuten auf der Straße, Gastwirten, Ladenbesitzerinnen, Umweltverschmutzung auf Wanderwegen etc. erfahren.
Und das Resümee dieser intensiven Reise zu sich selbst? Die alemannische Antwort lautet: „e unglaublichs Zfridesii“. Die hochdeutsche: „das glückliche Verstehen meines Daseins. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Die Gelassenheit, die daraus entsteht, dieses andauernde Hochgefühl, dieses zweck- und ziellose Einheitsgefühl mit dem Jetzt. (…) Dankbar sein. Und sicher auch demütig.“
Ich kenne nicht alle 20 Bücher, die MMJ geschrieben hat. Nicht mal die Hälfte davon. Aber ich könnte mir vorstellen, dass dieses das persönlichste und eines der wichtigsten ist. Vielleicht sogar das allerwichtigste… Ich kann „Nebelgischt“ nur aufs Wärmste empfehlen.