Wir lernen mit den Augen am meisten

Über Theodor Fontanes Liebe zu Bildern

Autor:Christoph Wegmann
Erscheinungsjahr:2019
Verlag:Quintus Verlag


Vorgestellt von Martin Zingg
Seine grossen Romane ("Effi Briest", "Irrungen Wirrungen", "Der Stechlin" plus ein gutes Dutzend weitere dazu) hat Theodor Fontane (1819-1898) erst im Alter geschrieben ‒ nach Jahren der Arbeit als Journalist und mit einer erstaunlichen Leidenschaft für Bilder. Fontane muss ein unersättlicher Beobachter gewesen sein, einer, der sich alles genau ansah und einprägte, ein Augenmensch. Ein Leben lang trug er Bilder zusammen, in seinem Kopf, in Notizbüchern, auf Fotos und in Bildbänden.
In seinen Romanen spielen sie denn auch eine überragende Rolle, die Bilder, in allen möglichen Erscheinungsformen. Sie sind Auslöser und Motoren von Geschichten, sie werden in Gesprächen beschrieben und ausgiebig diskutiert, sie führen Figuren zusammen oder entzweien diese. Bilder sind allgegenwärtig. Denn obschon sie umständehalber immer erst in Sprache übersetzt werden müssen, lässt sich mit ihnen so manches gleichsam wortlos erzählen und beiläufig spiegeln. Fontane macht davon gerne Gebrauch.
Dem immensen Bilderfundus, der in Fontanes Romanen verborgen ist, widmet der Basler Germanist und Autor Christoph Wegmann nun eine grossartige Studie: "Der Bilderfex". Darin spürt er den Bildern nach, die Fontane in seinem "imaginären Museum" bewahrte. Dabei geht es nicht nur um Ölgemälde oder Zeichnungen. Genauso so wichtig sind Briefmarken oder Deckengemälde, bemalte holländische Ofenkacheln oder kleine Darstellungen auf einer Kaffeetasse, Ornamente, Plastiken (wie die "Venus mit dem Pfirsichpflaumenpo"). Wappen oder gar Denkmäler. Und selbst Naturereignisse können bildhaft erlebt werden, etwa der Auftritt der Sterne am Firmament.
Die so verschiedenartigen Bildmotive macht Christoph Wegmann in seinen eleganten Kommentaren auf doppelte Weise lesbar: Er verknüpft sie mit den Texten und zeigt, was der Erzähler damit vorhat. Zum andern hält er sie unter ein gegenwärtiges Licht und erläutert an ihnen das, was wir heute meist kaum mehr verstehen können.
Auch wer mit Fontanes Romanen nicht vertraut ist, wird beim Gang durch dieses imaginäre Museum immer wieder entzückt. Das opulente und schön gestaltete Werk ist beides, ein Bilderbuch und ein Lesebuch. "Der Bilderfex" entführt als Reisebericht in eine ferne Zeit, nach Preussen in die Bilder- und Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts, und ist ein grosses Lesevergnügen.