Vom Glück des Findens

Ein Pilzbuch

Autor:Markus Manfred Jung
Erscheinungsjahr:2022
Genre:Sachbuch
Verlag:Drey-Verlag


Gelesen von Klaus Isele
Folgendes kann jedem passieren: Man bekommt ein Buch geschenkt. Vom Autor. Und sogar noch handsigniert. Das macht die Sache wertvoll. Beim Öffnen des Buches stellt man fest: Oh, das Thema interessiert mich nicht wirklich. Also lässt man das Buch erst mal liegen. Einige Wochen. Aus denen Monate werden können. Irgendwann meldet sich das schlechte Gewissen, und man beginnt doch zu lesen. In diesem Fall: 33 Pilzgeschichten. In alemannischer und standarddeutscher Version. Auch wenn man selbst Alemannisch beherrscht, ist man verleitet, nur den hochdeutschen Text zu lesen. Also lernt man Seite um Seite neue Pilzsorten kennen, erfährt, wie man die giftigen Pilze von den ungiftigen unterscheidet (meistens zumindest...), weiß allmählich, in welchen Lagen, neben welchen Bäumen man Pilze dieser und jener Gattung erwarten kann, merkt ganz schnell, dass die Sache ziemlich komplex ist und man große Fehler machen kann.
Und ohne dass man es richtig gemerkt hat, ist es dem Autor gelungen, einen als Leser in ein Fachgebiet hineinzuziehen, für das man gar keine Ader hatte. Das Lesen ist inzwischen zum Genuss geworden. Vielleicht auch deshalb, weil man die eine oder andere im Buch erwähnte Person persönlich kennt. Oder zusammen mit dem Autor nach Norwegen reist (das man auch etwas kennt), um mitzuerleben, wie es ist, wenn der Pilzsammler plötzlich in die schönen großen Augen einer Elchkuh schaut, nur einen Meter von ihm entfernt. Oder in die Augen einer Norwegerin, die ihm später zur Pilzfreundin wird und die ihn nur deshalb nicht aus ihrem Pilzrevier vertrieben hat, weil er so andächtig beim Pilzesammeln war und seine Freude über die gefundenen Schätze laut kundtat (ohne dass er ahnte, dass die spätere Pilzfreundin ihn heimlich beobachtete).
Es kommt noch besser, noch epischer, geradezu an Homer erinnernd, an die Schlacht um Troja. Hier wird erzählt von der fiktiven Schlacht zweier Pilzgattungen um die Weltherrschaft, nachdem der Mensch sich selbst pulverisierte. Jedes der verfeindeten Pilz-Heere sucht mittels teuflisch-giftiger Artgenossen und Untergattungen die Gegenseite zu eliminieren. Ein Kurz-Krimi, wie er besser nicht sein könnte.
Vom "Glück des Findens" zum "Glück des Lesens" ... Ich kann das Buch von Markus Manfred Jung jedem empfehlen: Menschen, die sich aus Pilzen etwas machen und tiefer in die Materie einsteigen wollen. Aber auch allen anderen. Denn sie werden mit Geschichten unterhalten, die ebenso lehrreich wie kurzweilig sind.