Was der Buddha lehrt

Neuauflage eines Klassikers

Autor:Walpola Rahula
Erscheinungsjahr:2023
Genre:Sachbuch
Verlag:Origo Verlag


Besprochen von Peter Oehler
Walpola Rahula Thero (1907-1997) war ein buddhistischer Mönch, Gelehrter und Schriftsteller aus Sri Lanka. 1964 wurde er Professor für Geschichte und Religionen an der Northwestern University und war damit der erste Bhikkhu, der einen Lehrstuhl in der westlichen Welt innehatte. Während seiner Zeit an der Sorbonne in den späten 1950er Jahren verfasste er „What the Buddha Taught“, einen weithin gelesenen und äußerst einflussreichen Einführungstext zum Buddhismus, für den er vor allem bekannt ist. (en.wikipedia.org)
Dieses nun neu aufgelegte Buch behandelt den wesentlichen und grundlegenden Gehalt der Lehre des Buddha (ausgehend von den Pali-Texten des Tipitaka, „die ältesten noch vorhandenen Aufzeichnungen der Lehren des Buddha“): die vier Edlen Wahrheiten, der Edle achtfältige Pfad, die fünf Daseinsgruppen (Körper, Gefühle, Wahrnehmung, Geistformationen, Bewusstsein), das Karma (Willenshandlung, Tun), die Wiedergeburt (das Drängen bzw. Karma bzw. dieser „Durst“ nach Dasein, der alles Lebendige und die ganze Welt bewegt, hört mit dem Tod nicht auf, sondern offenbart sich selbst weiter in einer anderen Form und erzeugt neues Dasein), die Lehre von der Bedingten Entstehung (Paticcasamuppada; alles in der Welt ist bedingt relativ und miteinander verbunden; die „buddhistische Relativitätstheorie“), das Nicht-Ich (Anatta; die Leugnung eines unvergänglichen Atman, Ich, Selbst oder Seele), die Grundlagen der Achtsamkeit (Satipatthana).
Letztere können als eine praktische Anleitung zur Meditation gelesen werden (Kapitel VII): Die vier Arten der Achtsamkeitsübung - das heißt Beobachtung des Körpers (z.B. des Atems), der Gefühle und Empfindungen, des Geistes(zustandes) und Meditation bezüglich „verschiedenen moralischen und geistigen Objekten (dharma)“ – führen zur Erfahrung des Nirvana.
Den Aspekt der Selbstvergessenheit, der durch Meditation erreicht werden soll, sieht Rahula auch als wichtigen Punkt bei jeder Form kreativer Arbeit: „Alle großen Werke – der Kunst, der Poesie, des Verstandes oder des Geistes – werden in jenen Augenblicken geschaffen, in denen ihre Schöpfer sich vollkommen in ihrem Schaffen verloren, sich ganz und gar vergessen haben und frei sind vom Selbst-Bewußtsein.“
Die Betonung der Gegenwart ist wichtig: „Diese Achtsamkeit oder Bewußtheit in Bezug auf unser Handeln, die von Buddha gelehrt wurde, besteht darin, in der Gegenwart, in dem Handeln selbst zu leben. (Auch dem 'Zen-Weg' liegt in erster Linie diese Lehre zugrunde.)“ Das ist die einzige Stelle im Buch, an der der Übergang zum bzw. eine Abgrenzung vom Zen(-Buddhismus) erfolgt. Eine knappe Darstellung, die es aber nichtsdestotrotz auf den Punkt bringt.
Durch dieses Buch zieht sich wie ein roter Faden das Verhältnis des Buddhismus zu anderen Religionen hindurch. Wobei Rahula salopp dazu schreibt: „Man fragt oft, ob der Buddhismus eine Religion oder eine philosophische Lehre sei. Es ist ohne Bedeutung, wie man ihn bezeichnet.“ Er sagt aber trotzdem Einiges darüber in diesem Buch. Einige Alleinstellungsmerkmale: „Unter den Religionsgründern war Buddha [...] der einzige Lehrer, der nicht beanspruchte, etwas anderes zu sein als ein Mensch schlechthin.“ Auch die von Buddha gepriesene Gedankenfreiheit gehört dazu („Der Mensch ist sein eigener Herr, und es gibt kein höheres Wesen und keine höhere Macht, die über sein Geschick entscheiden.“). Ferner gibt es den Begriff „Sünde“ im Buddhismus nicht. Im Gegensatz zum Glauben oder „blindem Vertrauen“ wird das „Sehen“, das Wissen, das Verstehen betont. Die Erlösung kann nicht erst nach dem Tode erreicht werden (wie in „fast allen Religionen“), sondern schon jetzt (= das Nirvana). Der Buddhismus ist auch nicht im gewöhnlichen Sinn „religiös“, da er nichts mit „Glaube, Gebet, Gottesdienst oder Kult“ zu tun hat.
Fakt ist, dass im Buddhismus der Glaube an Gott, aber auch der Glaube an das Selbst als eingebildete und falsche Vorstellungen angesehen werden. Er hat aber auch starke philosophische Ausprägungen, kann als ein Lebensweg (= der Edle achtfältige Pfad) bezeichnet werden. Er erkennt zum Beispiel den Gegensatz Geist zu Materie nicht an. Es geht ihm generell um die Überwindung des bzw. jeden Dualismus.
Auch weist Rahula immer wieder auf die absolute Gewaltlosigkeit des Buddhismus hin. Das gilt nicht nur für Einzelne, sondern auch für ganze Staaten. Die Aussage, die sich damals – in den 1950er Jahren – hauptsächlich auf die Bedrohung der Menschheit durch einen Atomkrieg der Weltmächte bezog, ist gerade heutzutage wieder hochaktuell: „Die Macht der Waffen kann nur Furcht verursachen und nicht Frieden bringen [...] Ein wahrer Frieden kann nur in einer Atmosphäre der Güte und Freundschaft herrschen, die frei ist von Furcht, Argwohn und Bedrohung.“
Egal, ob man sich dem Buddhismus nun als eine Religion, als eine Philosophie oder als einen Ratgeber zur rechten Lebensführung nähert, oder ob man Anregungen zur Meditation sucht, oder als Pazifist seine Vorstellungen von Gewaltlosigkeit und Frieden präzisieren will, ist man mit diesem – mit 220 Seiten recht kompakten und dichten – Buch bestens bedient/beraten.