Uns trägt das Angesungene

Autor:Dominik Riedo
Erscheinungsjahr:2014
Verlag:edition taberna kritika


Rezensiert von Klaus Isele
Dieses schmale Buch bietet eine kunterbunte Sammlung von Kleinstgeschichten, Aperçus, Anrissen oder Gedankensplittern, die nicht weiter ausgeführt werden, lebensphilosophischen Erörterungen, Bonmots, in den Raum gestellten Fragen, Vorschlägen für mögliche Buchtitel und Dutzende von Ideen für ganze Bücher. Falls es schreibende Kollegen geben sollte, denen nichts mehr einfällt oder die noch nie wirklich prickelnde Themen in ihren Büchern behandelten, fänden diese hier viele reizvolle Anregungen. Überhaupt wird in diesem Buch viel über das Schreiben gehandelt: mal theoretisierend, mal pragmatisch-handwerklich. Und manchmal auch anekdotisch in Form von Prosaminiaturen. Eine Kostprobe: »CCLIII) Ein Schriftsteller verkauft seinen Vorlass an ein Literaturmuseum. Damit nichts verlorengeht, baut das Museum ein entsprechendes Haus um das kleine Haus des Schriftstellers herum, dann ein Bauerndorf, Kuhweiden und Hügel, kleinere Städte und große Länder, Kontinente, die Welt. Er ist zuhause.«
Innovativ und originell ist auch das Layout, der Buchsatz: Es wird nämlich – was ich so noch nie in einem Buch gesehen habe – die Arbeit des Lektors sichtbar gemacht. Passagen, die der Lektor Hartmut Abendschein gestrichen hat, sind rot gedruckt, seine Anmerkungen und Fragen zum Text blau, Textpassagen, über deren Verbleib im Buch noch nicht entschieden wurde, in orange. Aufschlußreich wäre gewesen, auf die Fragen des Lektors auch die Antworten des Autors zu erfahren.
Der im Buch angeschlagene Ton, der Sprachstil von Dominik Riedo ist manchmal subversiv-sarkastisch unterfüttert, und etliche seiner Versuchsanordnungen für noch zu schreibende Bücher laufen darauf hinaus, daß sich die Protagonisten am Ende das Leben nehmen. Insofern ist das kein harmlos-biederes Buch, sondern eines mit radikal-anarchischem Gestus, mit der poetischen Sprengkraft gewagter Gedankenexperimente.