Marie im Schrank

Autor:Ada H. Dinner
Erscheinungsjahr:2015
Genre:Prosaband
Verlag:Wolfbach Verlag


Vorgestellt von Klaus Isele
»Ein Text muss sein wie eine in Bronze gegossene Empfindung, schroff wie ein Fels, milde wie die Hoffnung, symphonisch im Ausdruck«, heißt es im Buch einmal. Wahrlich kein anspruchsloses Schreibprogramm, an dem sich die Autorin da messen lassen muß. Das Buch »Marie im Schrank« trägt den Untertitel »Aufzeichnungen einer Verwunschenen« und erzählt von der alten, eigenwilligen Marie, die auf einen abwesenden Louis wartet. Marie schreibt kurze Prosa und bittet eine Dokumentalistin, die in einer Bibliothek angestellt ist, im Falle von Maries plötzlichem Verschwinden deren Texte in eine »kleine, von einem wilden Atem getragene Ordnung zu bringen«.Demzufolge enthält das Buch nun 50 Texte von Marie und – dazwischengestreut – 10 Texte der Dokumentalistin, in denen sie die Geschichte ihrer Bekanntschaft mit Marie wiedergibt. Und auch die Geschichte von Maries Liebe zu Louis.
Diese Zweigleisigkeit des Erzählens hat zur Folge, daß man ständig zwischen den Originaltexten Maries und den Einschüben der Dokumentalistin hin und her springen muß. Man kann das goutieren, mich persönlich stören diese Unterbrechungen des Leseflusses jedoch, weil bereits die untereinander kaum verbundenen Kurztexte Maries die gesteigerte Aufmerksamkeit des Lesers erfordern. Die zahllosen Themen dieser 50 Texte wiederzugeben, wäre aufwendig und vielleicht auch nicht zielführend. Das muß man selbst gelesen haben.
Das Faszinierende an diesem Buch von Ada H. Dinner ist der Umgang mit der Sprache, die hohe Sprachartistik der Autorin. Martin Zingg schreibt in seinem Nachwort dazu: »Es geht immer auch um eine Sprechweise – um die Auslotung von Möglichkeiten, wie Erinnertes und bisweilen schmerzlich Erlebtes und bloss Erträumtes in eine angemessene Sprache geholt werden können. (…) Ada H. Dinners Sätze spinnen ein dichtes Gewebe, sie gewähren Durchblicke in eine Welt, die so noch nie erzählt wurde.«
Besser kann man es kaum ausdrücken und wenig hinzufügen. Höchstens folgenden Leserwunsch: Wenn das nächste Buch der Autorin in einer ganz klaren Erzählstruktur gehalten wäre, würde sich ihre so poetische und bildmächtige Sprache noch stärker in den Kopf des Lesers einbrennen. Man würde sich auf diese vitalisierende Erfahrung sehr freuen.