Schluchten von Licht

Autor:Bettina Bohn/Markus Manfred Jung
Erscheinungsjahr:2015
Genre:Gedichtband
Verlag:Drey-Verlag


Besprochen von Klaus Isele
Markus Manfred Jung ist ein außergewöhnlicher Autor und als Mensch ein Original. So wird beispielsweise über ihn erzählt, daß er während seines Germanistikstudiums in Freiburg die Antworten auf die Fragen des Professors stets im alemannischen Dialekt gab. Ob nur am Anfang des Studiums oder auch bis zum Schluß, ist mir nicht bekannt. Ich habe es leider nie miterlebt. Als wir beide eine Zeitlang in der Redaktion der aufmüpfigen Kulturzeitschrift »D’Deyflsgiger« waren, arbeitete er bereits im Schuldienst. Der 1954 im Wiesental geborene M.M. Jung hat ein Faible für handwerklich gut gemachte, bibliophile Bücher. Das fing an mit seinem allerersten Band »rägesuur« (Edition Isele, 1986) und setzt sich fort bis zu seiner neuesten Publikation »Schluchten von Licht« (Drey-Verlag), einem edlen Text-Bild-Band, der künstlerische Arbeiten seiner Frau Bettina Bohn enthält. Daß Markus Manfred Jung kein wirklich eitler Mensch ist, könnte man daraus schließen, daß der großformatige, mit vielen dynamisch-ausdrucksstarken Farbabbildungen versehene Band keinerlei Angaben über Autor und Malerin enthält. Äußerste Zurückhaltung? Oder Vertrauen darauf, daß der interessierte Leser sich heutzutage im Internet jederzeit über die beiden Künstler informieren kann?
Doch nun zu den Gedichten: Der Band beginnt mit Landschafts­impressionen aus dem deutschen Norden (z. B. Sylt), die angereichert sind mit den typischen Nordsee-Ingredienzien wie Gischt, WindWindWind, hügel­hohen Brechern, Dauernieselregen oder schier undurchdringlichen Nebelwänden. Wahrscheinlich wird der Autor MMJ vielerorts unterschätzt und auf seine Dialektgedichte reduziert. Dabei sind ihm der deutsche Norden oder die Fjorde und Weiten Norwegens genauso vertraut wie der heimatliche Südschwarzwald. Wer von uns hat beispielsweise schon Skandinavistik studiert, davon eine Zeitlang in Oslo? Ein Lörracher in Oslo – in den 1980er Jahren sicherlich ein Novum.
Markus Manfred Jung ist nicht nur ein weitgereister Autor, sondern auch ein sehr vielseitiger. Es gibt von ihm ein Hörspiel, mehrere Theaterstücke, er hat als Mitherausgeber mehrere Anthologien ediert, den Text für einen Bildband über Norwegen geschrieben, mehrere CDs produziert und daneben natürlich viele Lyrikbände veröffentlicht.
Die Gedichte des neuesten Bandes sind auf Hochdeutsch verfaßt oder im südbadischen, wiesentälerisch gefärbten Dialekt. Oder auch mal gemischt, was ich besonders reizvoll und kurios finde. So etwa im Gedicht »windewund«: »wie werden aus / wörtern worte // chunnt us de / wörter s wort // wie denkt mich / die sprache fort // findefund«.
Neben den bildstarken Heraufbeschwörungen nordischer, mit Robben und Krähen bevölkerter Landschaften gibt es in diesem Band – was man vielleicht nicht unbedingt erwarten würde – auch eindringliche Liebesgedichte an seine Frau Bettina Bohn. Jede Frau, der so ein Gedicht gewidmet wird, kann sich mehr als glücklich schätzen.
Mein persönliches Lieblingsgedicht in »Schluchten von Licht« trägt übrigens den Titel »Gelassenheit« und ist das letzte Poem in diesem empfehlenswerten Text-Bild-Band.