Werner Lutz, Wolfhalden 1930 – Basel 2016
Ein Nachruf
Von Rainer Stöckli
Mitte April 2016 haben die Herausgeber der Appenzeller Anthologie Werner Lutz gefragt, ob er den Abdruck einiger Gedichte gestatte – und es auch erlaube, dass die geplante Sammlung literarischer Texte seit 1900 eine seiner Verszeilen als Buchtitel trage. Datiert auf den »24.4.2016«, hat Lutz im vorfrankierten Briefumschlag geantwortet und alle nötigen Abdruckrechte zugesagt. Mit handschriftlichem Gruss und der Andeutung von Vorfreude. – Kein Vierteljahr später, am 17. Juli des vergangenen Jahres, ist der Lyriker und Maler in Basel verstorben, 85-jährig.Mit 18 Jahren hat Lutz das Appenzellerland verlassen. Kind gewesen in einer Seidenweberfamilie, Schüler gewesen in Wolfhalden, Student gewesen an der St. Galler Kunstgewerbeschule. In Basel dann langhin Berufsgraphiker, hernach sogenannter Freier Schriftsteller. Wohnlage und Briefkasten all die Zeit, die wir einander gekannt haben, im St. Alban-Tal / im Dalbe-Quartier. Vom Herkommen aus dem Appenzeller Vorderland die vielen poetischen Bilder für landschaftliche Höhen und Hügel; vom Basler Lebtag am Fluss der wachste Sinn für Lauf und Zug des Wassers (einen Kilometer bevor es – ‹Rheinknie› sagt man – nach Norden abbiegt). In die Ostschweiz ist Werner Lutz nie zurückgekehrt, hat aber die Landschaft, aus der er stammte, öfter und stets bestlaunig besucht.
Vor fünf Jahren hat Appenzell Ausserrhoden dem Lyriker mit Heft 11 von ‹Obacht Kultur› die Ehre angetan: Der Umschlag dieses Bulletins (2011/3) hat auf den Aussen- und Innenseiten Gedichte vorgelegt, welche – alle vier – vom Aufwachsen und Altwerden Zeugnis geben. In einem derselben fragt der Verfasser, ob es ein leichtes Land gebe mit leichtem Himmel. Nach wie vor höre er die Brunnenworte einer Brunnenröhre, das Winseln des Föhns, ein Bellen / Maunzen / Grunzen / das Klirren der Kuhkette. Indes sei er ein alter Mann geworden, einer, der »den Faden verloren« habe und dem »dichtdunkles Nachtgras« über den Arbeitstisch wachse.
Schwermütige Bilanz des Achtzigjährigen. Ein Glücksfall jedoch – füge ich an – , dass es die Bücher gebe und die Bilder, je seine eigenen! Sie dürften Lutz geholfen haben, sich gegen das jahrgangsgemässe Einnachten zu stemmen. Auch dagegen, am Frieden auf Erden, an der Güte des Mitmenschen zu verzweifeln. Bücher im Übrigen (mehr als zehn) und Bilder (Hunderte), die uns Nachlebende über des Autors Tod hinwegtrösten. Lutz hat seit Längerem gegen die Verdunkelung gerungen. Allbereits im Erstling von 1979. Auch nachher im literarischen Schaffen, im malerischen Œuvre, selbst im Briefwerk. Keine drei Jahre her, dass ich in Form einer herzlichen Widmung habe lesen dürfen: »Du siehst, ich habe mir Mühe gegeben!« So wörtlich im kulturgeförderten Heft unter der lutztypischen Überschrift »Zuckersalzwind« (Lugano 2013).
Der Graphiker und Maler Lutz hat öfters und manchenorts ausgestellt. Noch liegt sein Bildschaffen nicht monographisch verzeichnet vor, hingegen in kleinen Katalogen. Der Lyriker Lutz hingegen ist dank Förderern wie Hans Bender und den Verlegern Egon Ammann sowie Beat Brechbühl mustergültig erreichbar – und wer will, findet leichtlich immer wieder erstauntes, lobendes Echo im Feuilleton und in der Korrespondenz von Freunden (seit mittlerweile sechzig Jahren). Zu des Autors achtzigstem Geburtstag ist ein Hommage-Band erschienen, herausgegeben von Markus Bundi (bei Isele, Eggingen); auf einen Quer- oder Längsschnitt mit Blick aufs gesamte dichterische Œuvre darf man warten. Darin dann gewiss auch frühe, vor dem Erstling verfasste Texte, wie etwa das keck-kostbare Selbstbildnis, spartanisch überschrieben mit »Er«.
Dieser Mann
die Fingerspitzen voll Teer
hat weite Tabakfelder abgeraucht
halb Maryland
und weiss doch nichts
von Maryland
er
an seinem Tisch
Ein Porträt seiner selbst, 1970 veröffentlicht. Konsequent, dass Lutz danach, im Erstling, nicht mit Graphik oder Malerei auftritt, sondern mit Photographie: am Tisch sitzend, eine Zigarette in der Rechten. »Ich brauche dieses Leben« hat der Buchtitel gelautet. Man muss das nunmehr in die Vergangenheit setzen – vollkommen eins mit der Aussage: Da hat Einer sein Leben gebraucht. Hat – in denkbar gutem Sinn – von seinem Leben Gebrauch gemacht.
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