Ich pfeife!
Aus dem Leben eines Amateurschiedsrichters
Autor: | Christoph Schröder |
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Erscheinungsjahr: | 2015 |
Verlag: | Tropen Verlag |
Besprochen von Brigitta Klaas Meilier
Als fünfjähriger Bub besucht der Autor erstmals mit seinem Vater ein Fußballspiel. Vonheute her gesehen trifft es sich, dass es ein Spiel im nahe gelegenen Darmstadt war, denn
Darmstadt 98 ist in dieser Saison nach jahrzehntelanger Abwesenheit wieder in die
Bundesliga aufgestiegen. Damals wie heute ist das Vereinsemblem die Lilie. Der Fünfjährige
wundert sich über die Fans, die den Verein mit dem Ruf „Linien, Linien“ anfeuern. Den Vater
zu fragen, traut er sich aber nicht. Auch so können Karrieren beginnen. Bei Christoph
Schröder ist es die eines Schiedsrichters der Amateurliga. In den zwölf Kapiteln seines
anekdotenreichen Buchs, strukturiert nach den Sequenzen eines Spieltagverlaufs vom
Aufstehen bis zum Morgen danach, dabei jedoch auch immer wieder ins Grundsätzliche
ausgreifend, schildert er in lockerem, aber seriösem Ton, wie es hinter den Kulissen eines
Fussballspiels aussieht oder aussehen kann, und öffnet damit den normalerweise
verschlossenen Blick auf die ganz eigenen Regeln, unter denen Schiedsrichter antreten.
Welcher Fussballanhänger weiß schon, wie sich (früher) die Beobachtung durch den
jeweiligen Oberschiedsrichter vollzog, unter welchem Druck die Schiedsrichter auch „von
oben“ standen und stehen, wenn sich die Fussballer, die Zuschauer und die Medien über ihre
Leistung ereifern. Der beruflich als Literaturkritiker tätige Autor zeigt, wie es kommen kann,
dass ein vierzehnjähriger Junge, der als Torwart schon nicht als „richtiger“ Fussballer galt,
dazu kommt, Schiedsrichter zu werden: Die Landesligen sind verpflichtet, jeweils
Schiedsrichter auszubilden und zur Verfügung zu stellen. In flottem Ton schildert er, wie wer
mit welchen Mitteln wen als Schiedsrichter fördern konnte oder eben das verhinderte, welcher
Oberschiedsrichter nach welchen Maßstäben urteilte – „keine Karte vor der 30. Minute, sonst
wird die Beurteilung ganz schlecht“ –, wie sie versuchten herauszufinden, wer sie beurteilen
würde, denn das war quasi geheim! Inzwischen sind den Schiedsrichtern die „Supervisoren“
bekannt. Dauerte es früher gelegentlich Wochen, bis die Warterei auf den noch unbekannten
Bericht, von dem Auf- oder Abstieg beim Einsatz abhing, ein Ende hatte, redet man heute
gleich nach dem Spiel in der Kabine miteinander, das Protokoll erhalten alle Instanzen
anschliessend per Mail, da bleibt nichts mehr unbekannt. Schröder gesteht ein, dass auch die
Tagesform eines Schiedsrichters eine wichtige Rolle spielen kann: An schlechten Tage pfeift
man schlechter als normal. Zudem: Er kann – und darf – nur pfeifen, was er selbst (heute auch
seine Assistenten) gesehen hat. Ein Foul hinter seinem Rücken, das alle Zuschauer gesehen
haben, nur er nicht. „An diesem Tag“, schreibt Schröder, „war klar, dass nichts gutgehen
würde.“ Für alle, die Fussball mögen, ist dieses Buch eine Fundgrube all dessen, was nicht
durch die Medien geht; ein erhellendes Erlebnis.
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