Wer war Ingeborg Bachmann?
Eine Biografie in Bruchstücken
Autor: | Ina Hartwig |
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Erscheinungsjahr: | 2017 |
Genre: | Sachbuch |
Verlag: | S. Fischer Verlag |
Besprochen von Brigitta Klaas Meilier
Der vorsichtige Untertitel dieser Biografie ist gerechtfertigt, wie sich unschwer feststellen lässt. Eine vollständige Biografie versperrt die Familie, die das umfangreich vorhandene biografische Material der Öffentlichkeit weiterhin vorenthält. Warum dennoch dieses Buch, lässt sich daher fragen. Die Autorin bietet dazu unterschiedliche Antworten, die vom bisher Bekannten zwar gelegentlich etwas abweichen, aber nicht gleichmässig überzeugen können. So heftet sie an manchen Fund Spekulationen, die man nicht teilen muss, weil sie (mir zumindest) überzogen scheinen. Etwa wenn sie versucht, Bachmanns bekanntem Aufenthalt 1963 in der Zürcher Bircher-Benner-Klinik – berühmt geworden durch den Strauss Rosen, von dem inzwischen bekannt ist, dass sie ihn sich selbst geschickt hat –, das Geheimnis der Diagnose zu entlocken. Die Akten scheinen verloren, dennoch spekuliert die Autorin darüber, ob es sich bei diesem Aufenthalt nicht um eine Hysterektomie gehandelt haben könnte oder müsste – was in der angehängten Chronik dann bereits als Tatsache auftaucht.Auffällig ist, dass die Autorin viel, für mein Gefühl zu viel, über Bachmanns Sexualität spekuliert. Sucht sie vielleicht nach »pikanten Details«? Trügen solche zwingend zu einer veränderten Rezeption ihrer wesentlichen Bücher bei, liessen sich solche Spekulationen allenfalls rechtfertigen, doch die Autorin bleibt hier vage. Es liest sich soweit ganz gut, vielleicht sogar aufregend, doch als Spekulation berührt es unangenehm. Hier schleicht sich der Verdacht ein, es müsse unbedingt Neues herauskommen. Sex sells?
Im quasi zweiten (unausgewiesenen) Teil des Buches befragt die Autorin 15 namhafte Zeitzeugen nach deren Einschätzungen. In diesen Mailkontakten, Telefonaten und direkten Begegnungen, u.a. mit Henry Kissinger, der als 30-Jähriger eine Schwäche für Bachmann hatte, wird die bekannte Widersprüchlichkeit der Schriftstellerin nochmals eindrücklich bestätigt. Je nachdem, wann und über welchen Zeitraum die befragten Personen sie gekannt haben – darunter Klaus Wagenbach, Martin Walser, Peter Handke oder auch Marianne Frisch – und natürlich auch, wie intensiv die Kontakt tatsächlich waren. Die Spekulationen der Autorin werden mal bestätigt, mal verneint, wobei unklar bleibt, was preisgegeben wird oder gerade verborgen bleibt, wie die Autorin selbst bemerkt. Bezeichnend Walsers Eingangsstatement: „Ich sage nichts.“ Was er dann natürlich doch tut. Jedenfalls sehen die einen in ihr fast eine Göttin der Literatur der damaligen Zeit, andere hegen geradezu einen Widerwillen gegen sie. Bachmann polarisiert, auch heute noch.
Die Gespräche bestätigen im Wesentlichen die Befunde bisheriger Veröffentlichungen: Bachmann ist mit der Zeit offenbar ihrem sorgfältig gepflegten Bild einer kapriziösen Diva selbst erlegen – entgegen ihrer Alltagpersönlichkeit, die durchaus praktisch und robust war. Die Titelfrage blieb auch hier unbeantwortet.
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