Sophie Taeuber-Arp

Der Umriss der Stille

Autor:Margret Greiner
Erscheinungsjahr:2018
Genre:Sachbuch
Verlag:Zytglogge Verlag


Rezensiert von Brigitta Klaas Meilier
Die erfahrene Biografin zeigt ein überraschend detailreiches Porträt der unbekannt-bekannten Künstlerin Sophie Taeuber-Arp. Natürlich hat sich deren Ruhm durch das Porträt auf der 50er-Note vermehrt, aber wohl eher bei gleichbleibender Unbekanntheit der näheren Lebensumstände.
Denen ist die Autorin nun gefolgt und hat dabei viel bisher Verborgenes ans Licht gebracht. Denn wer wusste schon von der hervorragend handwerklich-künstlerischen Ausbildung, die die junge Frau genossen hat. Gefördert durch die Mutter, die nach dem frühen Tod ihres Mannes von Davos nach Trogen zu ihrer Familie zurückkehrte, wo sie mit ihren Kindern auf familiären Rückhalt im Kreis der vermögenden Zellwegers hoffen konnte. Dennoch hatte sie für ihre zwei Töchter einen anderen Lebensweg im Sinn, als ihn die „Göttliche Ordnung“ vorgab. Bereits früh erkannte sie die zeichnerische Begabung ihrer Jüngsten, so dass sie ihr nach der obligatorischen Schule eine Ausbildung vorschlug, für die Mädchen nicht vorgesehen waren: Dessinateur. Seit kurzem gab es in St. Gallen eine neue Fachschule, die darauf bestens vorzubereiten versprach: Sie nannte sich "Ecole des arts décoratifs", ein Versprechen, das auch eingelöst wurde. Die Studierenden lernten nicht als erstes die immer gleichen textilen Muster, sondern wurden im Zeichnen zunächst nach der Natur ausgebildet; angefangen mit Gräsern, Blüten, Obstzweigen über Käfer, Schmetterlinge und sonstiges Getier wurden Hand und Auge im Umgang miteinander geschult. Das anschliessende Studium des historischen Ornaments weitete den Blick auch der drei weiblichen unter den fünfzehn Studierenden auf die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, indem sie deren Bedeutung für andere Völker und Zeiten erfuhren, ob im Faustkeil der Steinzeitmenschen oder als Tätowierung der indigenen Völker Australiens. Der Nachvollzug mit der eigenen Hand schuf jene umittelbare Verbindung mit Formen und Techniken, die Arp schliesslich in den bewundernden, leicht resignierten Satz fasst: „Du hast eben dein Handwerk von der Pike auf gelernt.“
Auch der Autorin lässt sich ein solcher Kranz winden. Wie sie die verschiedenen Lebensepisoden der Künstlerin, von denen hier fast nur die als Lehrerin an der Zürcher Kunstgewerbeschule bekannt ist, jeweils inszeniert, nimmt man ihr in jedem Wort ab. So auch die durchaus komplizierte Beziehung zu ihrem späteren Gatten Hans, dann Jean, Arp. Doch wie viel mehr eine Sophie Taeuber-Arp im Leben war, wird einer erst bewusst, wenn die Autorin die völlig eigenständige Künstlerin von St. Gallen über München zu Beginn des Jahrhunderts auf den Monte Verità führt, sie im von ihr mitbegründeten Dada-Zürich für uns tanzen lässt, uns ihre Flucht vor den Nazis nahebringt und ihre zum Teil klandestine Künstlerexistenz in Frankreich aufrecht erhält.
Die ausdrucksstarken Inszenierungen der Autorin lassen uns eine stabile Persönlichkeit in wechselvollen Zeiten erleben und erleichtern uns gleichzeitig den Zugang zu ihrem künstlerischen Werk. Mehr geht nicht!