Tiefrot und radikal bunt

Für eine neue linke Erzählung

Autor:Julia Fritzsche
Erscheinungsjahr:2018
Genre:Sachbuch


Brigitta Klaas Meilier
Die Münchner Journalistin hat durch viele Radiobeiträge zu politisch aktuellen Themen auf sich aufmerksam gemacht und angesehene Preise für ihre Features erhalten. In der vorliegenden Publikation porträtiert sie die aus unterschiedlicher Betroffenheit fast überall in der Welt entstehenden Gegenbewegungen und Kollektive. Gemeinsam ist diesen unzähligen Initiativen, dass sie sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten und nicht an der Verwertbarkeit des Kapitals. Detailliert und konkret erzählt sie von den Erfolgen und Frustrationen, von Durchhaltewille und tiefsitzenden Vorurteilen gegenüber Minderheiten wie Schwulen und Lesben, z.B. in den Industrievierteln Englands. Solidarität ausserhalb des eigenen Milieus lässt sich nur schwer erreichen. Dennoch gibt es diese Initiativen überall, sie lassen sich nicht so schnell entmutigen, sie wissen, dass sie einen langen Atem brauchen. Imposant und beispielhaft ist das Projekt Buen vivir der Indigenen in Ecuador. 2008 ringen sie der (damaligen) Regierung das Zugeständnis ab, das Erdöl im Boden zu lassen, statt den Urwald der Erschliessung zu opfern. Das Argument: Das im Boden verbleibende Öl und der weiterwachsende Regenwald würden der Welt 400 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ersparen Die Regierung ist unter der Voraussetzung finanzieller Beteiligung des globalen Nordens an den Entschädigungszahlungen bereit, das Projekt „Dschungel statt Öl“ zu unterstützen. Als Ausgleichszahlung werden von der Weltgemeinschaft 13,6 Mrd. Dollar benötigt, verteilt über 13 Jahre (!), was der Hälfte der sonstigen Staatseinnahmen entspräche, so die Autorin. Auch die deutsche Regierung ist eingebunden und sagt nach einigem Zögern zu. Doch nachdem durch Neuwahlen das entsprechende Ministerium von der FDP übernommen wurde, zog der nun zuständige Minister Niebel die Zusage der Vorgängerregierung zurück. Auch daran ist das Projekt gescheitert, denn die Höhe der Entschädigungen, um die das Projekt lange gekämpft hatte, wurde nicht erreicht. Diese Bewegung wurde wie viele andere ein Teil der weltweiten Bewegungen gegen fossile Infrastrukturen, ob in den deutschen Braunkohlerevieren (Rheinland, Lausitz), zu denen Bewegungen wie Attac, Grüne Jugend, Anti-AKW-Bewegungen gehören, die bereits das Buen-Vivir-Projekt unterstützten. Ob es die ebenfalls aus Lateinamerika stammende Bewegung "Solidarische Ökonomie" ist oder die vielen im globalen Norden entstandenen Projekte von Zusammenschlüssen in der Haus- und Landwirtschaft sind, sie streben nach einer nicht marktorientierten Wirtschaft in ihrem Bereich, wie die seit 2014 entstandenen deutschen Ernährungsräte, in denen sich Landwirte, Verbraucherorganisationen und AgrarwissenschaftlerInnen zusammenschlossen. Foodsharing-,Commons-, Essen-Retten-, die Fridays-for-Future-Bewegung, sie alle verstehen sich als Teil einer linken, noch dezentral und verstreuten, aber entschlossenen Gemeinschaft, in ihrem Bereich einen solidarischen, „tiefroten und radikal bunten“ Gegenentwurf zu leben.