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88 lyrische Texte
Autor: | Mara Kempter |
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Erscheinungsjahr: | 2020 |
Genre: | Gedichtband |
Verlag: | Wolfbach Verlag |
Gelesen von Klaus Isele
Ich war der erste Verleger, der das Werk von Mara Kempter entdeckt hat und ihre beiden ersten Bücher publizierte. Es freut mich, ihren dritten Gedichtband (der im Wolfbach Verlag erschienen ist) den geneigten Lesern ans Herz zu legen zu können. Mara Kempter schreibt kurze lyrische Texte, die manchmal an Haiku oder Aphorismen erinnern, die mit Wörtern spielen, manchmal humoristisch unterfüttert sind, zum (Weiter-)Denken anregen oder einfach nur treffsicher in unsere sprachsensorischen Bereiche eindringen und uns stimulieren. Beispiel: "mein rückenwind bringt mich / leicht aus der Fassung". Oder: "ein wolkenbild atmet aus / / mit offenem mund / das unausgesproche".Mara Kempter liebt alte Schreibmaschinen und tippt ihre Texte nach wie vor traditionell auf einer "Hermes Baby". Deshalb wurde im vorliegenden Gedichtband eine Schrift verwendet, die an eine Schreibmaschinentype erinnert. Mara Kempter liebt es ebenfalls, ihre Gedichtzeilen versetzt anzuordnen, Einzüge verschiedenster Länge zu machen, reichlich Leerzeilen einzufügen und dadurch neben der Bedeutungsebene auch eine optische Wahrnehmungsebene zu schaffen, die den Gedichten eine eigene Gestalt verleiht und dadurch zusätzlich sinnstiftend wirkt. Ihre überraschende Lyrik ist erfrischend unkonventionell. So schreibt sie etwa über ein Wort, das sie unter der Lupe erschreckt hat, oder über gestrandete Buchstaben. Mit einem Satz werden bei ihr Wörter übersprungen; beschlagene Fensterscheiben fordern sie heraus, sie zu beschreiben. Eine Fassade schreit: "schütze mich vor der / lautstärke der worte". Oder auch: "halbnackt biegen sich die bäume / der beifallsturm / gehört den bunten blättern".
Mara Kempters Gedichte muss man eigentlich vor sich sehen, um sie in ihrer ganzen Aussagekraft verstehen zu können. Nachfolgend zitiere ich einige meiner Lieblingsgedichte, Lieblingszeilen, die ich in diesem schönen Gedichtband (den wir dem verdienstvollen Editor Markus Bundi verdanken) gefunden habe:
"wellen schreiben die jahre ins meer"
"wer sagt / denn / dass / mein / schatten // nicht mein / engel / sei"
"jeden der buchstaben / einzeln umarmt // küsse ich / das wort"
"mit einem blauen glasscherben / die sprache aushöhlen // bis / ins / schweigen"
Sehr originell finde ich, dass auf der vorderen Klappe des Buches so etwas wie ein lyrisches Credo von Mara Kempter abgedruckt wurde.
"lyrik mit l wie leidenschaft
weiterhin
neugierig
umsichtig
hellhörig bleiben
in mich
horchen
wie die
sprache
mit mir
spricht
gespannt sein mit
allen sinnen auch
im künstlerischen umsetzen des
themas worte"
Ich wünsche diesem Gedichtband viele Leserinnen und Leser, die Freude daran haben, in die ganz eigene Sprachwelt von Mara Kempter einzutauchen. Eintauchen und sich inspirieren lassen. Eintauchen und genießen. Wörter genießen wie eine Wohlfühlmassage für unsere Sprachsinne.
Und ich wünsche Mara Kempter noch viele lyrische Aufschwünge mit schillernden Wortfindungen, hintersinniger Wortakrobatik und verschmitzem poetischem Humor.
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